SucheGästebuchIch freue mich immer über Feedback! Entweder als Kommentar zum jeweiligen Artikel ("Kommentare" in der kleinen Box oben rechts neben jedem Eintrag klicken) oder in meinem Gästebuch
![]() |
Wednesday, 25. August 2010NabelschauErst wochenlang gar kein Lebenszeichen und dann gleich zwei Beiträge kurz hintereinander, tststs. Dafür geht es in diesem Eintrag um das Vertraute anstatt um das Fremde. Keine Angst, es soll nicht mein eigener kleiner Nabel fokussiert werden. Vielmehr unser aller Nabel, oder zumindest der Nabel der allermeisten Leser dieses Blogs. Ich möchte euch mitnehmen auf eine kleine Stippvisite zu Taipeis Stammtischen und Supermärkten, auf der Suche nach einem Spiegelbild Deutschlands. Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage: Was ist Deutschland, aus der Perspektive Taipeis? ![]() Aus dem 7-11, dem Quasi-Tankstellenladen, den es an jeder Ecke gibt. An jeder Ecke zweimal gibt. Natürlich, wie wohl überall auf der Welt heißt hier Deutschland auch Autos und Bier und Würstchen. Autos! Ich kann inzwischen schon nicht mehr zählen, mit wie vielen Taxifahrern ich mich schon über die Vorteile von Mercedes, Audi und co. unterhalten habe. Wie oft ich die Frage (mehr schlecht als recht) beantwortet habe, was so ein Auto denn in Deutschland koste. Wie oft ich mich schon über Autobahnen unterhalten habe (und über die Panzer darauf, siehe Eintrag zum Wilden Osten). Die Begeisterung für deutsche Technik im Allgemeinen ist hier groß, was sich in der Praxis nicht nur in der Anzahl der deutschen Autos zeigt (auffallend hoch), sondern z.B. auch in den Zügen der Taipeier U-Bahn, in denen jeweils eine goldene Siemens-Plakette prangt. ![]() Würstchen! Original Deutsche Würstchen gibt es hier, einzeln eingeschweißt, an jeder Ecke. Allerdings denkt man hier beim Stichwort deutsches Essen eher an Schweinshaxen, oder Schweinefüße, wie sie genannt werden. Die dürfen in keinem deutschen Restaurant in Taipei fehlen - wie auch in keiner Reise eines Taiwanesen nach Deutschland. Ich kann jede gesellige Runde in Taipei erheitern, indem ich nebenbei fallen lasse, dass ich noch nie Schweinshaxen gegessen habe. Erstaunen kann ich dagegen viele Menschen hier, wenn ich erzähle, dass in Deutschland auch Reis gegessen wird. Das können sich viele Menschen hier nicht vorstellen, da sie wissen, dass Brot der Reis des Westens ist. Dass wir neben Brot auch Kartoffeln essen, finden die meisten noch logisch. Bei Nudeln wird der Gedanke schon etwas schwieriger, aber Reis? Das Monopolprodukt des Ostens zu Schweinshaxen?! Unter diesem deutschen täglich Brot stellen sich die meisten Menschen hier im Übrigen das vor, was hier unter Brot läuft: süßes Hefegebäck, häufig mit einer süßen Paste aus roten Bohnen oder Pudding gefüllt. Inzwischen gibt es zu meiner großen Freude ein, zwei richtige deutsche Bäcker in Taipei. Die meisten Taiwanesen finden das Brot dort aber viel zu sauer und vor allem viel zu knusprig – Brot hat gefälligst weich zu sein. Ein deutscher Bäcker hier erzählte, wie sich seine Kunden bei ihm beschwerten: sie bekämen vom Brotessen Muskelkalter im Kiefer. So viel zum traditionellen Bild von Deutschland. Auch wenn das Bild von Deutschland als Land der Lederhosen, Maßkrüge und gebratener Fleischberge durchaus noch verbreitet ist, zeigt sich in längeren Gesprächen mit den Menschen hier ein differenzierteres Bild, das vom Rechtssystem bis zum Umweltschutz viele verschiedene Aspekte beinhaltet. Setzten wir also unsere Shoppingtour und Spurensuche fort. Neben Autos kommt auch viel Umweltschutztechnologie in Taiwan aus Deutschland – bis hin zu den Energiesparlampen im Supermarkt. Auch angesorochen worden bin ich darauf schon oft, Deutschland als Land der grünen Technologie. Dazu zählen auch Nahrungsmittel. Noch häufiger als deutsches Bier ist in Taipei nur eines: deutsches Malzbier. Es wird hier vermarktet als besonders gesundes und natürliches Qualitätsprodukt und ist in so gut wie jedem Restaurant und jedem Supermarkt zu haben. Als ich gleich nach meiner Ankunft in Taiwan zu meiner früheren Gastfamilie in Tainan gefahren bin, haben sie mir in einem Plastikbecher ein neues Getränk zum probieren gegeben, ganz gesund und toll sei es. Sie würden mir aber erst nach dem Probieren sagen, was es sei. Das machte mich aus Erfahrung mit eben jener Familie ziemlich misstrauisch, ich vermutete in der dunklen Brühe Schweineblut, Schlangenschnaps oder Ähnliches. Probiert habe ich trotzdem und mich sehr gefreut. Als ich die dazugehörige Dose untersuchen durfte, habe ich hinten das made in Germany entdeckt, das meiner Gastfamilie entgangen war.
![]() Malzbier -und Schumi-Wasser Bio ist ganz allgemein auch in Taiwan in. Da die deutschen Ökorichtlinien hier als besonders streng bekannt sind, wird vieles aus Deutschland importiert, wo natürlich oder ökologisch drauf steht. Das fängt bei einfachen Dingen wie Mineralwasser an, geht über Müsli (in meinem Supermarkt kommt säntliches Müsli aus der Schweiz und aus Deutschland) und Joghurt (leider bis jetzt kein Naturjoghurt sondern nur süßer Früchtegut… aber kann ja noch werden. Auf, ihr Geschäftsmänner!) bis hin zu Vitamintabletten und Tees. Letzteres finde ich besonders interessant… Kräutertees sind im Ausland häufig schwer zu bekommen, das habe ich schon des Öfteren erfahren müssen, daher freue ich mich sehr über den derzeitigen Trend. Allerdings werden nicht nur Kräutertees, sondern auch Schwarz- und sogar Grüntees importiert. Original aus Deutschland! Ich frage mich allerdings, wo dieser deutsche Grüntee wohl angebaut wird…? ![]() In der Apotheke Ein weiterer für mich überraschender Exportschlager sind deutsche Brettspiele. Brettspiele sind hier unter Jugendlichen zur Zeit der Hit schlechthin, es gibt sogar extra Brettspielcafés, in denen sich die Spielfreunde treffen können. Und die Spiele kommen zum überwiegenden Teil aus Deutschland. Ich bin schon einige Male von jungen Taiwanesen angesprochen worden: „Du bist aus Deutschland?? Wahnsinn! Könntest du mir vielleicht diese Spielanleitung übersetzen? Ich versuche schon so lange, dieses Spiel zu spielen!“ Nicht alle Produkte werden so direkt importiert wie die Brettspiele: Deutsche Produkte werden auch gerne mal an den heimischen Markt angepasst. Ein Beispiel: Hier enthalten so gut wie alle Hautcremes Bleichungsmittel, weil weiße Haut als besonders schön gilt. Auch Nivea schließt sich da an – selbst beim Deo. Und: Der deutsche Bäcker verkauft inzwischen (leider) weiches Brot. So viel zu meiner kleinen, nicht abschließenden Waren- und Vorurteilskunde. Im nächsten Blogeintrag wird es wieder um das Gegenteil gehen, um den deutschen Blick auf Taiwan. Diesmal jedoch nicht nur mein persönlicher, enger Blick: ich bekomme heute Verstärkung aus Deutschland! Nicht nur ein, sondern gleich vier liebe Menschen kommen mich besuchen, um mit mir zusammen Taiwan zu bestaunen! Liebe Grüße an alle, Kerstin PS. Wer Chinesisch lesen kann oder nur mal sehen möchte, wie das so aussieht, der kann meinen Artikel in unserer Unizeitung lesen. Es geht um – keine Überraschung für die, die mich kennen – Schiller und seinen Schädel.
Am Rande: Passt nicht so zur Shoppingtour, daher an dieser Stelle: ich habe schon viele Menschen getroffen, die davon ausgehen, dass es in Deutschland immer kalt ist. Wenn ich ihnen erzähle, dass wir im Sommer auch mal über dreißig Grad haben, ist das fast genau so ein großer Schock wie die Sache mit dem Reisessen. Oder wie wenn ich in Deutschland erzähle, dass Taiwanesen auch Brot essen und Kaffee trinken.
![]() Das Reformhaus - So schick sind die in Deutschland aber nicht! Dazu die Energiesparlampen, wie daheim.
![]() Deutsche Restaurants und Cafés heissen hier Goethe, Schwarzwald, Oma Ursel oder auch zum Faß. Wozu also noch Heimweh bekommen wo das Vertraute doch so nah liegt? ![]() Teekarte in einem meiner Lieblingscafés... selbst der Grüntee stammt nicht nur in diesem Lokal aus Deutschland. ![]() Vollkommen willkürliche deutsche Schilder auf Kneipentoiletten. Keine von beiden ist deutsch oder heisst auch nur annähernd was mit "Ratskeller". Tuesday, 24. August 2010Die Geister sind los!Laufe ich die Tage durch Taipei, ist der Geruch von Weihrauch allgegenwärtig. An jeder Ecke steht jemand an einer brennenden Metalltonne und verbrennt eine Handvoll Papiergeld nach der anderen. Auf jedem noch so kleinen Hausaltar drinnen in den Wohnzimmern sowie auf jedem noch so improvisiertem Altartisch draußen auf dem Gehweg türmen sich Berge von Obst. Abends ist es erst besonders laut, weil Festmahle mit lautstarker musikalischer Begleitung in den Gassen stattfinden, danach jedoch gespenstisch leise. Es sind weniger Menschen auf den Straßen als sonst, Fenster und Türen sind verschlossen. ![]() Opfergaben im Longshan Tempel, Taipei Die meisten Menschen, mit denen ich hier über Geister gesprochen haben, haben ein sehr pragmatisches Verhältnis zu diesen. Wer weiß schon sicher, ob es sie gibt (wobei fast jeder hier auch die ein oder andere selbsterlebte oder zumindest selbstgehörte Geschichte dazu erzählen kann), aber man ist lieber mal auf der sicheren Seite. Schon Konfuzius sagte: „Ehre die Götter als gäbe es sie.“ Und so werden die vielen hungrigen Geister in diesem Monat mit Unmengen an Obst und Keksen zufrieden und milde gestimmt. Für weitere Bedürfnisse der Verstorbenen dient Feuer als direkter Postweg in die Unterwelt. Meistens wird der Einfachkeit halber auf diesem Wege Geistergeld zu den Ahnen gesandt, manchmal sind es aber auch papierene Häuser, Autos und was man sonst noch so alles für ein bequemes Leben im Jenseits benötigt. Im Geistermonat werden wie auch mit dem Essen neben den eigenen Ahnen auch die heimatlosen Seelen bedacht. Ich glaube, in den größeren Städten ist das aus Umwelt- und Gesundheitsschutzgründen inzwischen illegal, aber so richtig scheint das niemanden zu interessieren. Und das, obwohl die Regierung sich wirklich sehr bemüht, Alternativen zu bieten. Viele Bürger Taipeis nutzen beispielsweise inzwischen das Angebot, ihr Geistergeld in den staatlichen Müllverbrennungsanlagen verbrennen zu lassen – einige tausend Tonnen Geld werden so in jedem Geistermonat von der Müllabfuhr eingesammelt und zentral verbrannt. Andere Bürger nutzen einen besonders umweltfreundlichen Dienst der Stadt: die Online-Geistergeld-Verbrennung. Andere vorgeschlagene Ideen, wie eine Geistkreditkarte oder Geisterschecks, finden meines Wissens dagegen bisher wenig Beifall. ![]() Eine Frau beim Verbrennen von Geistergeld am Straßenrand. Für ganz andere Bedürfnisse der „guten Brüder“, wie die Geister auch genannt werden um diese nicht zu beleidigen, wird auch gesorgt. Im restlichen Jahr laufen gerne einmal DVDs in einem ansonsten leeren Tempel, als Entertainment für die guten Brüder. Im Geistermonat muss das allerdings überboten werden - mit Liveshows, die neben Moderation und Musik häufig auch Stripshows enthalten. Geister sind scheinbar auch nur (männliche?) Menschen. Meine Nachbarschaft hat vor ein paar Tagen anlässlich des Geistermonats ein riesiges traditionelles Fest draußen in den Gassen veranstaltet. Pudu, „universelle Erlösung“, nennt sich das. Alle Götter der umliegenden kleinen Tempel und Hausaltare wurden nachmittags zusammengetragen und gemeinsam angebetet, abends gab es dann ein riesiges Bankett. Ein Festmahl zu Ehren der Geister, zugleich auch ein Fest für die ganze Nachbarschaft, die ganze Familie. Viele runde Tische bedeckt mit glücksbringenden roten Tischdecken drängten sich in den engen Gassen, darauf glücksbringendes rosa Pappgeschirr. Auf einer großen Bühne mit blinkender Neondekoration wurde abwechselnd mikrofonverstärkt gesungen, Musikvideo mäßig getanzt sowie versucht, Geld für das Fest und für die Geister aufzutreiben. Eine der Sängerinnen trug dabei durchgehend nicht mehr als einen Hauch von Glitzerbikini. Anderswo, habe ich mir sagen lassen, werde auch gestrippt oder an der Stange getanzt. ![]() "Pudu", Fest zur universellen Erlösung, in der Mitte des Geistermonats in meiner Nachbarschaft So fröhlich diese Feiern auch sein mögen, mit den Geistern ist nicht zu spaßen. Auch wenn sie einen Monat Ausgang haben und daher fröhlich sein könnten, sind sie eben im Grunde doch unzufriedene Seelen, die den Lebenden nicht unbedingt das Beste wünschen. Man behandelt die Geister also respektvoll, versucht ansonsten aber, möglichst weit von ihnen entfernt zu bleiben. Das heißt, man vermeidet im siebten Monat am besten alle Aktivitäten, die Geister anziehen könnten (bis auf Opfergaben natürlich), sowie alle Orte, an denen sich Geister gerne aufhalten. Aus diesem Grund ist es ziemlich dumm, in dieser Zeit im Dunkeln zu pfeifen – oder überhaupt im Dunkeln unterwegs zu sein, besonders nach Mitternacht und besonders alleine. Sollte man das doch einmal unvorsichtigerweise tun, sollte man niemals den Kopf wenden, wenn der eigene Name von hinten gerufen wird! Wäsche sollte man auf keinen Fall übernacht draußen auf der Leine lassen – da diese gerne von Geistern für ihre Verwandtschaft gehalten und freudig begrüßt wird. Unwissende ausländische Freunde von mir sind deswegen schon von der Nachbarschaft gerügt worden. Berggipfel und vor allem Wasser sind in dieser Zeit besonders gefährliche Orte. Wie bereits erwähnt, kehren gewaltsam umgekommene Seelen im Geistermonat an den Ort ihres Todes zurück – und scheinbar sind in Taiwan bisher besonders viele Menschen ertrunken. Diese Ertrunkenen haben jeweils diesen einen Monat Zeit, an den schicksalhaften Fluss oder See zurückzukehren und Ersatz für sich selbst zu finden… erst dann sind sie erlöst und sind nicht mehr verlorene Seelen. Die taiwanesische Urangst vor Wasser ist in dieser Zeit daher noch einmal um ein Vielfaches gesteigert. Alles, wozu man Glück benötigt, unterlässt man in diesem Monat am besten, vielleicht weil man nie wissen kann, wann ein unglücksbringender Geist zufällig vorbeischaut. Das heißt, Hochzeiten, Umzüge, Geschäftseröffnungen, Operationen und so weiter verschiebt man soweit irgend möglich in den nächsten Monat. Ich persönlich bin passenderweise in diesem Monat einen persönlichen "Geist" losgeworden, der mich nunmehr ein ganzes Jahr geplagt hat, der mich vom Schlafen abgehalten und mein Leben und Denken vollkommen bestimmt hat. Noch bin ich mir im Unklaren darüber, ob die Erleichterung darüber größer ist oder die Wehmut. Eine große Leere lässt er jedenfalls zurück, dieser Geist, dieses formlose Wesen namens ICLP. Ich habe zudem ein wenig Angst, dass er das Chinesisch in meinem Hirn mit sich genommen hat... aber das wird sich zeigen müssen. ![]() Opfergaben im Tempel: Blumen, Kerzen und Geistergeld ![]() Fast jeder Tempel hat einen solchen Ofen zum Verbrennen von Geistergeld
|
Kalender
Blog abonnierenVerwaltung des Blogs |
Kommentare